Bei einem bewaffneten Konflikt verfügt jede Einwohnerin und jeder Einwohner über einen Schutzplatz in der Nähe des Wohnorts: Mit diesem Ziel baut die Schweiz seit den 1960er-Jahren systematisch – basierend auf einer Schutzraumbaupflicht – an einem Kollektivschutz für die Bevölkerung. Heute gibt es dafür 370’000 private und öffentliche Schutzräume. Wie andere Bauwerke benötigen sie Unterhalt und Erneuerung.
BABS, Fachbereich Grundlagen Zivilschutz und Ausbildung
Durch die Veränderungen der Bedrohungslage in den letzten Jahren wurde das Sicherheitsgefühl in Europa erschüttert. Das Interesse der Bevölkerung an Schutzräumen stieg in der Schweiz nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine 2022 schlagartig. Der Bevölkerungsschutz darf sich aber nicht nur nach kurz- und mittelfristigen Grosswetterlagen richten. Der Aufbau des Schutzbautensystems nahm und nimmt Jahrzehnte in Anspruch.
Bei den Schutzbauten wird unterschieden zwischen Schutzräumen und Schutzanlagen: Schutzräume dienen direkt dem Schutz der Bevölkerung (Personenschutzräume) und von Kulturgütern (Kulturgüterschutzräume). Mit den Schutzanlagen werden primär die Führungsfähigkeit (Kommandoposten) und die Bereitschaft der Mittel des Zivil- und Bevölkerungsschutzes (Bereitstellungsanlagen) sichergestellt; dazu kommen die sanitätsdienstlichen Schutzanlagen (geschützte Spitäler und Sanitätsstellen). Auf dieser Infrastruktur basiert der Schutz der Schweizer Bevölkerung vor den Auswirkungen eines bewaffneten Konflikts. Sie lässt sich zudem bei Katastrophen und in Notlagen nutzen.
Schutzraumbaupflicht besteht weiterhin
Grundsätzlich sind heute für die ganze Bevölkerung Schutzplätze vorhanden, wobei kantonale Unterschiede und örtliche Lücken bestehen. Innenstädte und Randregionen verzeichnen teilweise noch nicht genügend Schutzplätze. Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz (BABS) setzt sich mit seinen Partnern in den Kantonen dafür ein, dass die Schutzinfrastruktur erhalten und, wo noch Lücken bestehen, vervollständigt wird. Die Schutzraumbaupflicht wurde seit der Jahrtausendwende aufgrund des hohen Ausbaustands und der sicherheitspolitischen Lage zwar angepasst, im Grundsatz aber beibehalten.
Beim Bau von Wohnhäusern müssen die Eigentümer*innen grundsätzlich einen Schutzraum erstellen und ausrüsten. Aus finanziellen und organisatorischen Gründen wird heute aber möglichst darauf verzichtet, viele kleine Schutzräume zu bauen. Die Gemeinden bauen in Gebieten mit zu wenig Schutzplätzen (grössere) öffentliche Schutzräume. Müssen die Eigentümer*innen keinen Schutzraum erstellen, haben sie einen Ersatzbeitrag zu entrichten, der für den Bau eines öffentlichen Schutzraums verwendet werden kann.
Schutz dank Betonhülle und Belüftungssystem
Die Schutzräume sind zweckmässig konstruiert und ausgerüstet, um Kosten, Platzbedarf und Unterhaltsaufwand niedrig zu halten. Im Zentrum steht die Schutzwirkung. Dies zeigt sich auch bei den Platzverhältnissen: Ein Schutzraum weist pro Schutzplatz, das heisst pro Person, (mindestens) einen Quadratmeter Bodenfläche und 2.5 Kubikmeter Rauminhalt auf.
Es gibt zwar unterschiedliche Typen und Varianten von Schutzräumen, von kleinsten für fünf bis zu solchen für über 1000 Personen. Das Prinzip und die Anforderungen sind aber einheitlich, und die Schutzräume sind weitgehend normiert und standardisiert. Sie gewähren bei richtiger Handhabung einen Basisschutz gegen ein breites Spektrum direkter und indirekter Waffeneinwirkungen. Betonhülle und Belüftung bieten in den meisten Bedrohungslagen eine grosse Überlebenschance.
Der Schutzraum verdankt seine mechanische Widerstandsfähigkeit der Schutzraumhülle (Boden, Wände und Decke), die mit Stahlbeton erstellt ist. Öffnungen werden mit Panzertüren, -deckeln und -wänden verschlossen, die ebenfalls aus armiertem Beton bestehen.
Das Belüftungssystem ist die Lunge des geschlossenen Schutzraums. Ventilationsaggregate sorgen, elektrisch oder manuell betrieben, für frische Luft im Schutzraum. Im Falle einer chemischen oder biologischen Bedrohung können ABC-Schutzfilter zwischengeschaltet werden. Überdruckschutzventile gewährleisten einen Überdruck, um das freie Eindringen ungefilterter Luft in den Schutzraum zu verhindern. Explosionsschutzventile schützen gegen Druckwellen und Sogwirkung bei einer Explosion.
Grössere Schutzräume sind mit Schleusen ausgestattet. Diese stellen sicher, dass beim Betreten und Verlassen des Schutzraums keine vergiftete Aussenluft eindringt. Im Vergleich zu kleineren und Kleinstschutzräumen verfügen grosse generell über einen erweiterten Ausbau, insbesondere über Küche und Wasserversorgung.
Private Nutzung im Alltag
Im Alltag können Schutzräume etwa als Keller, Bastelräume oder Archive genutzt werden, grosse Schutzräume dienen beispielsweise als Tiefgaragen. Bei solcher zivilschutzfremden Nutzung sind die Vorschriften über Arbeitssicherheit, Elektroinstallationen, Brandschutz und so weiter zu beachten, und es dürfen keine Veränderungen an der Schutzraumhülle, den Panzertüren und Panzerdeckeln sowie dem Belüftungssystem vorgenommen werden. Schutzräume müssen innert fünf Tagen in Betrieb genommen werden können. Projekte für bauliche Anpassungen und Veränderungen an der Struktur und an den technischen Einrichtungen sind von den zuständigen Behörden bewilligen zu lassen.
Seit 1987 besteht die gesetzlich vorgeschriebene Ausrüstung eines Schutzraums, die bereits beim Bau angeschafft werden muss, aus Liegestellen und Trockenklosetts. Das BABS empfiehlt, ältere Schutzräume ebenfalls auszurüsten.
Wichtiger Werterhalt
Eigentümer*innen sind zudem verpflichtet, für den Unterhalt zu sorgen und den Schutzraum und seine Einrichtungen zugänglich zu halten – dies insbesondere für die periodischen Kontrollen der Behörden (mindestens alle zehn Jahre). Die einfachen Unterhaltsarbeiten beinhalten etwa die Reinigung des Schutzraums und des Notausstiegs. Bei Mängeln und Defekten kann die für den Zivilschutz zuständige Stelle der Gemeinde oder des Kantons Auskunft geben.
Im Rahmen der periodischen Kontrollen wird auch ermittelt, ob Erneuerungsbedarf besteht. Darunter werden substanzerhaltende Massnahmen wie die Reparatur oder der Ersatz der technischen Systeme verstanden. Solche Massnahmen zum Werterhalt können mit den Ersatzbeiträgen finanziert werden.
Ein Grossteil der Schutzräume wurde vor 30 und mehr Jahren erstellt, weshalb die Erneuerung immer wichtiger wird. Der Konzeptbericht Schutzbauten, den das BABS schon vor 2022 mit den Kantonen zu erarbeiten begonnen hat, trägt dem Rechnung: Im Vordergrund steht heute verstärkt der Werterhalt. Der Bericht ist Grundlage für die laufende Teilrevision der Zivilschutzverordnung. Es gilt, für die wichtige Schutzinfrastruktur Sorge zu tragen.
Weitergehende Informationen sind unter www.zivilschutz.ch/schutzraum zu finden.